„Warum auf eine Branche versteifen?“ | Interview von Rebecca Polz mit Guter Rat

BÖRSE Dividendenstrategie, ja unbedingt! Aber bitte nicht dogmatisch und alles auf eine Karte setzen – dazu rät Vermögensverwalterin Rebecca Polz im Gespräch mit Guter Rat.

Guter Rat: Frau Polz, in Guter Rat 1/24 haben wir einen Beitrag mit dem Zitat »Die Party ist vorbei« überschrieben. Gemeint war, dass an der Börse auf absehbare Zeit nicht mehr so schnell so hohe Renditen zu erzielen sein werden wie in den zurückliegenden 2010er-Jahren. Gehen Sie da mit?

Rebecca Polz: Jein, ich würde sagen, dass es herausfordernder geworden ist für die Unternehmen, da sie nun höhere Zinsen bezahlen müssen. Zur Wahrheit gehört aber, dass viele große Unternehmen gar nicht auf Kredite angewiesen sind, weil sie volle Konten haben. Bedenken Sie: Meist blicken wir auf den in den Medien ausgewiesenen DAX-Stand. Der DAX ist aber einer der ganz wenigen Indizes weltweit, der so berechnet wird, als wenn Dividenden stets reinvestiert würden. Beim Blick auf den DAX-Kursindex entsteht ein anderes Bild, hier sind wir von dem Allzeithoch noch ein paar Punkte entfernt.

Guter Rat: Sie haben die Zinsen angesprochen, was eben auch bedeutet, dass Aktien wieder eine echte Konkurrenz bekommen haben durch die gut verzinsten Anleihen. Was heißt das denn nun für eine Dividendenstrategie?

Rebecca Polz: Nun, dafür müssen wir auf das ganze Bild schauen, also woher die Renditen kommen. Jedes Rädchen spielt eine Rolle. Der Zins wirkt sich unmittelbar auf die Lage bei Anleihen, Aktien und Immobilien aus. In diesem Jahr sind viele Gelder in kurzlaufende Anleihen gegangen. Der Investor ist per se risikoavers, deshalb sind diese Titel – derzeit – eine attraktive Anlage und beliebter als lang laufende Staatsanleihen. Übrigens wurde bislang noch nicht im großen Stil von Aktien zu Anleihen umgeschichtet, der Performance-DAX erreichte jüngst ein Allzeithoch.

Guter Rat: Stichwort Allzeithoch. Oft verkaufen Privatanleger in solchen Phasen gut laufende Aktien und legen sich mit dem Geld weitere Anteile schlecht laufender Papiere ins Depot. So verpassen sie dann einen weitergehenden Aufwärtstrend und greifen beim fallenden Messer zu. Wie viel Cash sollte man zur Verfügung stehen haben, um beim richtigen Einstiegszeitpunkt zuschlagen zu können?

Rebecca Polz: Man neigt dazu, an schlechten Papieren festzuhalten und gut laufende zu verkaufen, Wirtschaftswissenschaftler haben dies immer wieder nachgewiesen. Eine Notfallreserve ist unumgänglich, mindestens drei Nettomonatsgehälter. Berufsanfänger brauchen etwas weniger als eine Familie mit Kindern. Was einen »richtigen Einstiegszeitpunkt « betrifft, würde ich Ihnen widersprechen. Man trifft ihn höchstens zufällig. Ich würde deshalb zu einem langfristig ausgerichteten, gestreuten Portfolio raten. Am einfachsten geht das via Fonds, passiv oder gemanagt.

Guter Rat: Und was ist mit Anlegern, die gern die Entscheidungshoheit behalten – wie viele Einzelpapiere sollten es sein?

Rebecca Polz: Das kommt auf den Markt an, in dem man investieren will. Mindestens zehn Titel sollten es aber schon sein. Zugleich finde ich es als Privatanleger schwierig, mehr als zehn Titel zu beobachten. Genau das ist aber wichtig, wenn man auf Einzeltitel setzt. Eine echte und effiziente Diversifikation beginnt für mich erst bei mehreren Hundert Titeln.

Guter Rat: Gerade die deutschen Autohersteller wirken verlockend. Günstig bewertet, hohe Dividendenrenditen. Was spricht da noch dagegen, auf diese Werte zu setzen?

Rebecca Polz: Gegenfrage: Warum wollen Sie sich auf eine einzige Branche versteifen? Mein Ansatz ist ein anderer: viele Themen im Depot halten, neben Value-Unternehmen – die den Kern einer Dividendenstrategie ausmachen – also auch Wachstums- und Nebenwerte. Wir empfehlen unseren Kunden immer einen Mix und erstellen zu jedem Anleger ein Risikoprofil.

Guter Rat: Blicken wir einmal weg von deutschen Aktien und hin in alle Welt. Welche Märkte sind da für Dividendenjäger gerade besonders attraktiv?

Rebecca Polz: Ich würde nicht zu sehr auf ein einzelnes Land oder eine Region setzen, sondern mich breit aufstellen, um sämtliche Bereiche der Weltwirtschaft abzudecken.

Guter Rat: Unter Anlegern ist Weltwirtschaft oft deckungsgleich mit dem MSCI World, der vor allem US-Aktien enthält und damit weniger international ist, als es der Name suggeriert. Wie muss ich mich denn aufstellen, um zum Beispiel an der Wertentwicklung chinesischer Unternehmen zu partizipieren?

Rebecca Polz: Eine Lösung wäre, die Ländergewichtung selbst vorzunehmen, nach eigenen Risikokonzepten (z.B. einen Teil nach Wirtschaftsleistung zu gewichten), oder den MSCI All Country World Index zu verwenden, der zwar immer noch eine hohe US-Quote beinhaltet, dafür aber auch einen China-Anteil.

Guter Rat: Ein strittiger Punkt unter Investoren ist die Ausschüttungsquote. Wie hoch sollte sie sein?

Rebecca Polz: Der für mich entscheidende Punkt ist, dass das Geld nicht aus der Substanz bezahlt wird. Ein Unternehmen, das dies tut, kann nicht investieren. Deshalb sollte auch nach Dividendenauszahlung ausreichend Cashflow für Zukunftsinvestitionen vorhanden sein. Man muss also auch abseits der reinen Dividende blicken.

Guter Rat: Abschlussfrage: Dividendenaristokrat – Qualitätsmerkmal oder Bürde für Unternehmen? 

Rebecca Polz: Je länger und konstanter die Dividendenhistorie ist, desto eher ein Qualitätsmerkmal. Doch auch für Dividendenaristokraten sollte diese Beurteilung keinesfalls eindimensional sein.

Das Interview ist im Original erschienen im Februar 2024 im Magazin Guter Rat.

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