Geldanlage in einer Rezession – wie reagieren?

Zugegeben, die Nachrichtenlage des Sommers 2022 gibt wenig Grund zur Freude. Eine weltweite Rezession, die scharfe Einschnitte auch in den Wohlstand unseres Landes bedeutet, ist auf dem Weg vor der Befürchtung zur Gewissheit.

Die Verunsicherung bei Investoren ist angesichts der vielschichtigen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen groß. Viele Anlegerinnen und Anleger haben keine „Rezessionserfahrung“. Dadurch fällt es schwer, die Vielzahl der Analysen und Prognosen zu bewerten. Die jüngste Rezession vor der Corona Pandemie – die globale Finanzkrise 2008/09 – war untypisch kurz. Die letzte größere rezessive Periode ab 2001 liegt schon über 20 Jahre zurück. Somit haben wir also einen gegebenen Anlass, die wichtigsten Fragen und Erkenntnisse rund um die Geldanlage in einem rezessiven Umfeld zu beleuchten.

Befinden wir uns bereits heute in einer Rezession?

Ökonomen sprechen von einer Rezession, wenn die Wirtschaftsleistung eines Landes sinkt. Nach der technischen Definition muss dafür das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als wichtigste volkswirtschaftliche Kennzahl zwei Quartale in Folge schrumpfen. Nach dieser Maßgabe befinden sich die USA bereits in einer Rezession. Im ersten Quartal ging das USA-BIP hochgerechnet auf das Jahr um 1,6 Prozent zurück, im zweiten um 0,9 Prozent. Anders sieht es in Deutschland aus. Trotz der Folgen des Ukraine-Kriegs ist die deutsche Wirtschaft im Frühjahr noch überraschend gewachsen: Von April bis Juni stieg das BIP gegenüber dem Vorquartal leicht um 0,1 Prozent an. Das rückläufige Wachstum wird von vielen allerdings als Rezession „ante portas“ interpretiert. Die Rezession befindet sich also „vor den Toren“.

Spätestens seit dem Stopp der russischen Gaslieferungen besteht im Konsens der Ökonomen kein Zweifel mehr, dass die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal schrumpfen wird. Dabei stützen Sie sich auf die gängigsten Wirtschaftsindikatoren. Für die deutsche Wirtschaft ist der ifo-Geschäftsklimaindex das wohl wichtigste Fiberthermometer. Der vielbeachtete Chart drückt aus, dass Unternehmen für das kommende Halbjahr die Geschäfte deutlich schlechter einschätzen. Mit 88,4 Punkten steht der Index im Juli tiefer als in der Finanzkrise.

Andere Indikatoren sprechen eine ähnliche Sprache: Einzelhandelsumsätze (-8,8 Prozent ggü. Vorjahr), Auftragseingänge im produzierenden Gewerbe (-0,4 Prozent ggü. Vormonat), GfK-Konsumentenklima (-30,9 Punkte im August). Die Liste ließe sich lange weiterführen.

Darüber hinaus gibt es auch einen beachtenswerten Frühindikator am Kapitalmarkt: die inverse Zinskurve in den USA. Das heißt, dass die kurzfristigen Zinsen höher sind als die Zinssätze „am langen Ende“. Das Rational dahinter ist, dass Anleiheinvestoren in Anbetracht der unsicheren Wirtschaftslage höhere Zinssätze für kurzfristige Anleihen fordern als für längerfristige.

Was bedeutet eine Rezession für die Wirtschaft und Haushalte?

Grundsätzlich gehören Rezessionen zum Wirtschaftskreislauf wie der Berg zum Tal. Eine Rezession ist eine der vier Phasen, die die Wirtschaft nach klassischer volkswirtschaftlicher Theorie durchlaufen kann: Aufschwung, Hochkonjunktur, Rezession, Tiefphase (Depression). In der Regel gehen in einer rezessiven Phase die Einkommen zurück und die Arbeitslosigkeit steigt. Investitionen sinken. Unternehmen sparen. Die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistung sinkt. Die Zahl von Insolvenzen steigt. Die Lager füllen sich. Normalerweise gehen Rezessionen daher auch mit stagnierenden oder fallenden Preisen einher.

Nicht aber dieses Jahr. Die Rezession paart sich mit hohen Inflationsraten und führt zu einem gefürchteten Stagflationsszenario. Denn die Preise werden durch geld- und fiskalpolitische Nachholeffekte der Corona-Maßnahmen getrieben. Dazu zählen in erster Linie zinsgetriebene Investitionen, eine hohe Nachfrage aus den Spartöpfen der Haushalte und eine globale Angebotsknappheit durch gestörte Lieferketten. Die mangelnde Verfügbarkeit von Energie und Rohstoffen verstärkt die Inflation weiter. Die hohen Preise führen zum Innehalten und zu einer Kaufzurückhaltung von Unternehmen und Haushalten, was wiederum noch geringere Einnahmen bei den Unternehmen verursacht. Die Inflation treibt die Rezession zusätzlich.

Besonders ist, dass es zumindest in Deutschland und den USA die erste Rezession bei Vollbeschäftigung sein wird. Der demografische Arbeitskräftemangel dürfte überwiegen, sodass die Konjunktur nicht zusätzlich durch fehlenden Konsum einer großen Zahl an Arbeitslosen belastet wird. Das kann sich positiv auf Dauer und Schwere der Rezession auswirken.

Wie lange dauert eine Rezession?

Eine pauschale Aussage kann man hier nicht treffen. Es gibt aber Erfahrungswerte zu den vergangenen Rezessionszyklen. Laut der US-Statistikbehörde National Bureau of Economic Research lag die durchschnittliche Dauer bei zehn Monaten. Wachstumszyklen – der normale Zustand der Wirtschaft – hielten hingegen 64 Monate an. In Deutschland dauerten Rezessionen in der Zeit seit 1966 zwischen 12 und 40 Monaten, wobei die Zeit bis zum erneuten Wachstum in den letzten Jahrzehnten immer kürzer ausfiel. Ein Trend, der womöglich auch damit zu tun hat, dass Notenbanken rund um den Globus zunehmend mehr Rücksicht auf die konjunkturellen Folgen ihrer Entscheidungen nehmen und nicht mehr das Gewährleisten von Geldwertstabilität als ihr alleiniges Mandat sehen.

Warum brauchen wir eine Rezession? 

Unsere Wirtschaft kann eine Rezession gut vertragen – sie ist gesund! Es gibt eine Reihe von Gründen, warum die Bekämpfung der Rezession mit Staatsgeld nicht erstrebenswert ist. Vorne anzustellen ist sicherlich, dass die Folgen der Corona-Pandemie noch ökonomisch ausheilen müssen. Die Probleme der Lock-Downs, gestörter Lieferketten oder übersubventionierter Unternehmen lassen sich nicht ungeschehen machen. Hier muss die Wirtschaft ihren eigenen gesunden Kreislauf – notfalls durch Insolvenzen und strukturelle Veränderung von Lieferketten – wieder stabilisieren.

Hinzu kommt, dass der fortwährenden Preiserhöhung nur mit einer mittelfristig geringeren Nachfrage nachgekommen werden kann. Erst wenn das Angebot an Waren und Dienstleistungen wieder höher ist als die Nachfrage, werden sich die Inflationsraten normalisieren. Den natürlichen Impuls der Menschen bei hohen Preisen weniger zu konsumieren sollte man nicht mit Staatsgeld betäuben. Denn das geringe Angebot kann man nicht durch einen Nachfrageimpuls kompensieren.

„Hohe Preise lassen sich nur durch hohe Preise verhindern“ lautet ein kluges ökonomisches Sprichwort. Dass auch die Notenbanken mit Ihren Zinserhöhungen die Inflationsbekämpfung eingeläutet haben, ist eine gute Nachricht. Denn eine restriktivere Geldpolitik kann erst so richtig wirken, wenn auch die Wirtschaft etwas auf die Bremse tritt. Insofern stehen Inflationsbekämpfung und Rezession in keinem Widerspruch.

Nicht zuletzt tut auch der Börse eine Erholungsphase gut. Denn sie ist das Spiegelbild unserer Zukunftserwartungen. Die niedrigen Zinsen und der daraus resultierende Mangel an Investitionsalternativen haben in den letzten Jahren zu einem Boom und übertriebenen Bewertungen am Aktienmarkt geführt. Allen voran bei US-Wachstumswerten. Dass die Börsen sich nun wieder mehr an fundamentalen Daten orientiert und es wieder Zinsen auf Anleihen gibt sind – trotz der schmerzlichen Kursverluste in diesem Jahr – gute Nachrichten für Anlegerinnen und Anleger.

Wie sollten Privatanleger*innen reagieren? 

Dass viele Menschen angesichts der eben geschilderten Gemengelage derzeit nervös sind, ist nachvollziehbar. Die Finanzentscheidungen sind herausfordernder geworden. Viele sind sich nicht mehr sicher, ob sie ein Haus kaufen oder verkaufen sollen, und auch die Geldanlage freier Mittel fällt Ihnen schwer. Dazu Stress am Arbeitsplatz und Nachwirkungen der Pandemie.

Da kommen Experten, die sich tagtäglich damit beschäftigen das komplexe Gebilde aus Krieg, Energiekrise und Inflation zu entschlüsseln, gerade richtig. In Ihren Prognosen geben Sie vermeintliche Antworten auf Fragen wie: Wo steht der Dax am Ende des Jahres, sollte ich nun nur noch Gold kaufen oder wie werden sich die Zinsen weiter entwickeln? Gerne auch wird zur allgemeinen Richtung der Börse mit passenden Kaufempfehlungen Auskunft gegeben.

Was Sie von diesen Prognosen halten sollten? In erster Linie Abstand. Denn niemand kann die Zukunft vorhersagen. Prognosen sind ein vergeblicher Versuch der Unsicherheit, die eine Wirtschaft und damit die Geldanlage mit sich bringen, zu begegnen.

Schocks und Krisen müssen wir akzeptieren. Anstatt uns an Vorhersagen zu versuchen, sollten wir uns auf sie vorbereiten. Heute sind es die Inflation, die Angst vor der Rezession, der Krieg in der Ukraine und die hohe Volatilität. Wie lange die derzeitige Situation andauern wird, wissen wir nicht. Ebenso wenig wissen wir, was den nächsten Schock auslösen wird oder wann er eintritt. Aber was man garantieren kann: Es wird eine Überraschung werden, denn alles andere hätten die Märkte bereits eingepreist.

Vielmehr geht es darum, planvoll zu investieren. Mit einem Plan sind Anlegerinnen und Anleger vorbereitet auf Zeiten wie diese. Zeiten, in denen die Kurse rasant fallen, aber auch auf Zeiten, in denen die Kurse – wie zuletzt unmittelbar nach der Pandemie – ebenso schnell wieder steigen.

Ein solcher Plan sollte langfristig sein. Eine Universallösung gibt es schon deshalb nicht, da nicht jeder Mensch dieselbe Risikotoleranz hat. Wie viel Risiko wir tragen können, hängt von unseren Zielen ab, von den Erfahrungen, die wir im Leben gemacht haben, und davon, wie jeder von uns Ereignisse interpretiert.

Heute reden wir viel über hohe Zinsen. Viele werden sich aber sicherlich daran erinnern, dass 10 Prozent Hypothekenzinsen in den Achtzigern keine Seltenheit waren.

Wenn Sie in Versuchung geraten, Ihr Portfolio neu auszurichten, sollten Sie sich zunächst fragen: Ersetze ich damit einen langfristigen Plan durch einen anderen langfristigen Plan? Denn kurzfristige Timing-Strategien haben viel mit Glücksspiel und wenig mit langfristiger Geldanlage zu tun.

Es ist wunderbar, dass Anlegerinnen und Anleger ihr Vermögen einfach streuen und so Risiken diversifizieren können. Bei der Bestimmung des Aktienanteils in Ihrem Portfolio sollten Sie abwägen: Wie schmerzhaft sind Verluste bei fallenden Kursen? Wie schmerzhaft sind entgangene Gewinne, wenn die Kurse wieder steigen?

Wenn Sie langfristig investieren können und in Jahrzehnten anstatt Jahren denken, ist der beste Rat, Krisen innerhalb Ihres Wohlfühl-Aktienanteils einfach auszusitzen. Die Chance den langfristigen Anlageerfolg zu maximieren ist dann am größten, wenn man es schafft einem Plan zu folgen, der auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmt ist. Durchhalten ist der beste Weg, den wir kennen – so schwer es in der aktuellen Situation auch ist.

Was ist also ihr Plan?

Wichtige Hinweise: Hierbei handelt es sich um eine werbliche Information für die allgemeine Öffentlichkeit. Diese stellt weder eine Anlageberatung noch ein Angebot, eine Empfehlung oder eine Aufforderung zum Treffen von Anlageentscheidungen nach dem Wertpapierhandelsgesetz dar. Investitionen in Wertpapiere, Investmentfonds, Immobilien und Rohstoffe bergen hohe Verlustrisiken, bis hin zum Totalverlust. Weder vergangene Wertentwicklungen noch Prognosen haben eine verlässliche Aussagekraft über zukünftige Wertentwicklungen. Wir haben die Inhalte nach bestem Wissen und mit großer Sorgfalt erstellt, gleichwohl können wir die Korrektheit der Informationen nicht garantieren. Wir übernehmen keine Haftung für etwaige Schäden, die aus der Verwendung der in diesem Artikel enthaltenen Informationen resultieren. Alle Rechte bei Der Finanz Berater – Artur Wunderle Vermögensbetreuungs-GmbH, Hauptstraße 8 b, 82319 Starnberg.