Wo ist die Value-Prämie?

Wer beim Aktienkauf den Fokus auf eine niedrige Bewertung und somit einen günstigen Einkauf – und weniger auf einen möglichst hohen Aktienkurs gelegt hat -, war langfristig im Vorteil, insbesondere bei US-Aktien.

Daten aus knapp hundert Jahren belegen, dass Value-Aktien, also vergleichsweise günstig bewertete Aktien, höhere erwartete Renditen aufweisen als Growth-Aktien. Natürlich ist dabei nicht jedes Jahr ein „Value-Jahr“ gewesen. Die Gewinner wechseln sich bekanntlich ab.

Gelegentliche Value-Schwächephasen ändern jedoch nichts daran, dass verhältnismäßig günstigere Kurse mit höheren erwarteten Renditen verbunden sind.

GLOSSAR

Value-Aktie bzw. Substanzwert: Unternehmen, das im Vergleich zu einer Fundamentalkennzahl (z.B. Buchwert) zu einem günstigen Kurs gehandelt wird.
Growth-Aktie bzw. Wachstumswert: Unternehmen, das im Vergleich zu einer Fundamentalkennzahl (z.B. Buchwert) zu einem teuren Kurs gehandelt wird.
Value-Prämie: Renditedifferenz zwischen Aktien mit niedrigem relativen Preis (Value) und Aktien mit hohem relativen Preis (Growth).

Abbildung 1 zeigt, dass US-Value-Werte über große Zeiträume hinweg besser gelaufen sind als Growth-Werte (96 Jahre+). 2017 bis 2020 hingegen dominierten die Wachstumswerte. Von 2020 bis 2022 durften sich Value-lastige Anleger dann wieder freuen. 2023 hingegen war in den meisten Märkten wieder ein Growth-Jahr.

Abbildung 1: US-Markt | Value vs. Growth seit 1926

Quelle: Dimensional

Gut möglich, dass die obenstehende Grafik so manchen, bereits langjährig investierten Anleger, überrascht. Einige erinnern sich vielleicht noch gut an die letzte große Value-Schwächephase im Zeitraum Mitte 2007 bis Ende 2020. Dieser Zeitraum stellt im Großen und Ganzen eine bemerkenswerte Abweichung in der ansonsten allgemein langen Geschichte der Überlegenheit von Substanzwerten im Vergleich zu Wachstumswerten dar.

Diese Periode markierte den am längsten anhaltenden Abschwung für Substanzwerte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Ihr Tiefpunkt war das Jahr 2020 mit dem Ausbruch der Pandemie, das als das schlechteste Jahr für Wertanlagen seit Beginn der Aufzeichnungen gilt.

Abbildung 2: Kumulierte Überschussrenditen des MSCI World Value ggü. MSCI World Growth

Quelle: JP Morgan, MSCI, Bloomberg, Stand der Daten: 28. Februar 2022

Die Unterperformance von Substanzwerten während des eben erwähnten Zeitraums lässt sich durch mehrere Faktoren erklären. Die globale Finanzkrise von 2008–2009 markierte den Beginn einer langanhaltenden Stagnationsphase, die vor allem Wachstumswerten zugutekam. Angesichts geringer Wachstumsaussichten suchten Investoren Zuflucht in Unternehmen, die noch Gewinnwachstum verzeichnen konnten. Dadurch wurden diese Aktien mit zunehmenden Prämien gehandelt.

Darüber hinaus trug das anhaltend moderate Wirtschaftswachstum maßgeblich dazu bei, die Inflation auf historisch niedrigem Niveau zu halten. Als Reaktion darauf setzten Zentralbanken darauf, das globale Wachstum anzukurbeln. Sie hielten die Leitzinsen nahe null, führten massive Programme zur quantitativen Lockerung ein – ein Schritt, der seit den 1930er Jahren nicht mehr gesehen wurde – und drückten die Zinssätze effektiv ins Negative.

Der Wert einer Anlage, insbesondere wenn deren Cashflows in ferner Zukunft liegen, hängt teilweise von den Kapitalkosten ab. Wenn Kapital günstig ist, neigen Anleger dazu, in die Zukunft zu investieren. Doch wenn die Kapitalkosten hoch sind, verlangen Investoren bereits heute nach Erträgen. In der jüngsten Vergangenheit befanden wir uns in einem Umfeld, in dem die Kapitalkosten negativ waren. In solch einem Szenario hoben die sinkenden Zinsen alle Wachstumsaktien mit an, ähnlich wie eine steigende Flut alle Boote hebt.

In diesem, insbesondere für Wachstumswerte vorteilhaftem Umfeld, erzielten Growth-Aktien nicht nur ein höheres Gewinnwachstum im Vergleich zu ihren Value-Pendants. Auch wurden ihre Bewertungen breitflächig und deutlich angehoben, unabhängig von den spezifischen Umständen. Es wurde weniger darauf geachtet, ob dieses Wachstum realistisch oder illusorisch, nachhaltig oder spekulativ war. Der resultierende Anstieg der Bewertungen verschleierte viele Probleme bei einigen der am stärksten nachgefragten Wachstumsunternehmen.
Aktuelle Beispiele für sehr hoch bewertete Unternehmen sind die bekannten „glorreichen Sieben“: Apple, Microsoft, Alphabet (Google), Amazon, Nvidia, Meta, und Tesla.

Sprechen die kommenden Jahre erneut für das Thema Value?

Bereits seit einigen Jahren nimmt der Bewertungsabstand zwischen Value und Growth, also den günstigsten und den teuersten Aktien auf dem Markt, erneut deutlich zu. Aus der Vergangenheit wissen wir, je steiler das Bewertungsgefälle, desto größer das Potenzial für eine Korrektur -und desto deutlicher kann diese ausfallen.

Die nachfolgende Grafik zeigt das historische Bewertungsniveau des US-Marktes.

Abbildung 3: Historische Bewertungen: US-Markt
Kurs-Buchwert-Verhältnis, Juni 1926 bis Dezember 2023
Y-Achse: Kurs-Buchwert-Verhältnis

Quelle: Berechnungen von Dimensional auf Grundlage von Daten von CRSP und Compustat. Fama/French-Daten bereitgestellt von Fama/French.
Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV): Das KBV einer Aktie ist eine Bewertungskennzahl die vereinfacht gesagt aufzeigt, wie stark Unternehmenswert und Unternehmenspreis am Markt auseinander liegen.

Das durchschnittliche KBV der „glorreichen Sieben“ beispielsweise beträgt per 31.12.2023 stolze 12,7. Anleger müssten bei einem Kauf dieser Werte aktuell also das 12,7-fache des Eigenkapitals bezahlen. Zum Vergleich: Das Bewertungsniveau des gesamten US-Marktes beträgt im 30-jährigen Durchschnitt 3,05 (KBV).

Der Druck welcher insbesondere auf sehr hoch bewerteten Unternehmen lastet, die gewohnte Entwicklung so fortzuführen, ist enorm – und muss auch erstmal dauerhaft durchgehalten werden.

Hohe Bewertungen schaffen somit auch Druck in Anlegerdepots. Unsere Empfehlung lauter daher: Bei der Portfoliogewichtung auch das Thema Bewertungen im Auge behalten!

Value-Prämien tauchen oft plötzlich auf, sind dann jedoch beachtlich

Die Zinsen sind zurück und verleihen Geld nun wieder seinen Preis. Viele Experten sehen dies – mitunter – als Chance für Substanzwerte.

Auch Abbildung 1 zeigt: 2020 bis 2022 waren Value-Jahre.

Value-Prämien tauchen oft plötzlich auf, sind dann jedoch beachtlich. So betrug die Value-Prämie in den Jahren, in denen Value-Aktien höhere Renditen abwarfen als Growth-Aktien, durchschnittlich fast 15%.

Wie in Abbildung 3 zu sehen ist, erzielten US-Value-Aktien seit 1927 im Durchschnitt eine jährliche Mehrrendite von 4,4%.

Abbildung 3: Mehrwert | Jährliche US-Aktienprämien: Value minus Growth, 1927 bis 2022

Quelle: Dimensional / JP Morgan / Fama, French

Die Gewinner wechseln sich ab

Genauso, wie nicht jedes Jahr ein „Value-Jahr“ ist, funktioniert Value nicht zu jeder Zeit in jedem Markt gleich gut. Die Lösung lautet „Diversifizierung“. In einem global gestreuten Portfolio können positive Prämien in einer Region unterdurchschnittliche Prämien in einer anderen Region ausgleichen. Ein Blick auf die jüngere relative Wertentwicklung von Value-Aktien weltweit verdeutlicht diesen Punkt:

Per 30.09.2023 sind US-Value-Aktien auf Sicht von 12 Monaten hinter Growth-Aktien zurückgeblieben (17,2% weniger Rendite als Growth-Werte). Hintergrund: 2023 führten in den USA Growth-Aktien dank Kursgewinnen im Technologiesektor das Feld an.

Außerhalb der USA war die Value-Prämie jedoch positiv. So haben Value-Aktien in anderen entwickelten Märkten – wie auch in vielen Schwellenmärkten -, im selben Zeitraum dagegen deutliche Mehrrenditen abgeworfen.

Auch über die letzten fünf Jahre schnitten Value-Aktien (außerhalb der USA) in beiden Marktsegmenten besser ab als Growth-Aktien.

Abbildung 4: Global gedacht | Annualisierte Value-Prämien (Mehrrenditen), Stand: 30. September 2023

Quelle: Berechnungen von Dimensional auf Grundlage von Daten von Ken French.

Niemand verfügt über eine Glaskugel. Daher lässt sich nicht vorhersagen, wer die Gewinner und Verlierer der nächsten 100 Jahre sein werden. Das gilt genauso für die Frage, ob Substanzaktien nach dem Siegeszug der Wachstumsaktien in 2023 nun vor einem Comeback stehen.

Klar ist, der Versuch Faktorprämien vorherzusagen misslingt in den meisten Fällen, wie die meisten Prognosen am Kapitalmarkt. Wir raten daher dazu ein Portfolio mit einem leichten strategischen Übergewicht an Value-Aktien aufzustellen und diese global diversifizierte Allokation auch langfristig durchzuhalten. Zum einen, da wir langfristig an die Überrendite der Value-Prämie glauben, zum anderen, da wir uns von Substanzwerten in Krisenzeiten durch deren geringere Verschuldung, höheren Free-Chash-Flow etc. eine höhere Stabilität für das Portfolio erwarten.

Value in einem Portfolio umzusetzen ist heute allerdings schwieriger als gedacht. Weltweit ist der Anteil der bei Value-Managern investierten Aktienanlagen zu Ende 2022 auf 5-10% gesunken (Quelle: JP Morgan). Viele ehemalige Value-Fonds sind durch die Rally bei den Wachstumsaktien nach und nach zu Growth- oder Blend-Fonds geworden, wie man die Wertpapiere nennt, die Substanz- und Wachstumsaktien mischen. Häufig muss daher ein Value-Engagement über Dividendenfonds oder ETFs umgesetzten werden.

Sprechen Sie uns gerne an, um Ihr Depot auf die Gewichtung von Value vs. Growth zu überprüfen.


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