14. November 2022

Das Renditereihenfolge Risiko

Wer an den Kapitalmärkten investiert sollte wissen: Rendite geht Hand in Hand mit Risiko. Negative Marktphasen gehören zum Anlegen dazu – auch wenn man sie sich am liebsten ganz weit wegwünscht.

Gerade für junge Anleger oder Neuinvestoren sind Kurseinbrüche oft nervenaufreibend – verständlich. Dabei sind Krisen gleich zu Beginn des Vermögensaufbaus Gold wert!

Turbulente Marktphasen können neben ungeliebten Kurseinbrüchen also auch Chancen bieten: sie korrigieren übermäßig hoch bewertete Titel, sortieren Verlierer aus, schaffen neue Marktfelder und bieten Möglichkeiten günstig nachzukaufen.

In der Praxis können Schwankungen in den Renditejahren – insbesondere die Reihenfolge in der sie auftreten – einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung eines Portfolios haben. Dies sowohl in der Phase des Vermögensaufbaus als auch im Prozess des Entsparens eines Ruhestandportfolios. Dieses Risiko nennt sich Rendite-Reihenfolge-Risiko, im Englischen auch „Sequence of Return Risk“ (SoRR). Ein Risiko, welches bei vielen Anlegern noch immer unter dem Radar fliegt jedoch nicht unterschätzt werden sollte.

Was ist das Renditereihenfolge Risiko?

Das Renditereihenfolge Risiko findet seinen Ursprung in den schwankenden und unvorhersehbaren Renditen an den Kapitalmärkten. Die Reihenfolge, in welcher beispielsweise positive und negative Renditejahre auftreten, kann während der Anlagedauer eine spürbare Auswirkung auf die Gesamtrendite und damit auch auf den Endwert eines Portfolios haben.

Wen betrifft das Renditereihenfolge Risiko?

Das Renditereihenfolgerisiko ist immer dann relevant, wenn über den Anlagezeitraum Ein- bzw. Auszahlungen im Portfolio stattfinden – zum Beispiel über regelmäßige Sparpläne oder Entnahmen.

Anleger die hingegen einmalig einen Betrag x an den Kapitalmärkten investieren, sind vom SoRR nicht betroffen. Weshalb? Aktienrenditen sind zufällig und nicht planbar. Wer zu Beginn des Vermögensaufbaus einmalig in sein Depot einzahlt, wird am Ende eine durchschnittliche jährliche Rendite über den Gesamtanlagezeitraum ermitteln können.

Ein Beispiel: Ein Anleger der im Jahr 1998 einen Einmalbetrag in den weltweit investierten Index MSCI AC World angelegt und diesen bis heute unverändert hat arbeiten lassen, erzielte im Betrachtungszeitraum eine Nominalverzinsung (Durchschnittsrendite) von rund 6,3% pro Jahr. Dies nach Fondskosten, inklusive Dividenden und ohne Beachtung der Inflation.

Bei diesen 6,3% handelt es sich um einen sehr langfristigen Durchschnitt. Im beispielhaften Anlagezeitraum glich kein Renditejahr dem anderem. Positive Jahre mit teilweise sogar zweistelligen Plusrenditen wechselten sich mit Jahren negativer Wertentwicklung ab (Krisenjahre).
Die Reihenfolge der Jahresrenditen wirkt an den Aktienmärkten zufällig. Genauso können sie im Beispiel der Einmalanlage auch betrachtet werden! Die Reihenfolge der Renditejahre ist bei Einmalanlagen unerheblich. Es wäre egal, ob nun alle Minusjahre gleich zu Beginn oder am Ende aufkämen, die Gesamtrendite wäre immer dieselbe.

Wir können also festhalten: Die Nominalrendite entspricht bei Einmalanlagen dem internen Zinsfuß (persönliche Rendite).

Das Renditereihenfolge Risiko bei Zuzahlungen

Der langfristige Vermögensaufbau über (regelmäßige) Sparpläne ist insbesondere für diejenigen Anleger interessant, die (noch) nicht über größere finanzielle Mittel verfügen um gleich mit einer größeren Portion in die Märkte einzusteigen.
Auch für Investoren die aus Sorge vor dem einen schlechten Einstiegszeitpunkt nicht alle Gelder auf einmal anlegen möchten, empfiehlt sich die ratierliche Investitionsweise.

Aufgrund des Renditereihenfolge Risikos kann die über mehrere Zuzahlungen erzielte, persönliche Rendite (interner Zinsfuß) tatsächlich von der Nominalrendite (Durchschnittsrendite) abweichen! Je nach Verteilung der negativen und positiven Renditejahre, kann sie am Ende also höher oder niedriger ausfallen.

Bei regelmäßigen Sparplänen ist die Reihenfolge der Renditejahre also durchaus relevant. Treten Jahre oder Monate mit negativer Verzinsung relativ zu Beginn des Vermögensaufbauprozesses auf, ist das durchaus vorteilhaft!

Über regelmäßigen Zuzahlungen können die günstigen Kurse mitgenommen werden, es wird also günstiger eingekauft. Zudem ist das angesparte Vermögen in Relation zu den Sparraten noch geringer, der Hebel durch die günstigen Zukäufe folglich noch viel größer!

Natürlich, keine Krisen wären immer das Beste. Es ist schmerzhaft, wenn die Wertentwicklung des eigenen Depots aufgrund einer Krise (gleich zu Beginn) einbricht und es dann wieder seine Zeit dauert, bis die alten Höchststände erneut erreicht wurden.
Man sollte jedoch nicht vergessen, dass es nach Erreichen des Tiefpunkts auch bereits wieder nach oben geht! Wer folglich auch während einer Krise weiter zukauft, kann mit einem Teil seines Depots nach Erreichen des Tiefststands schon wieder von steigenden Kursen profitieren!

Problematischer ist da vielmehr das psychologische Risiko. Startet der Vermögensaufbauprozess gleich mit ein oder mehreren Krisenjahren, können Anleger die Nerven oder Lust verlieren und abspringen. Im schlechtesten Fall werden die Anlagen dann mit einem Minus verkauft.

Unser Rat: Wer genug Zeit hat, sollte unbedingt auch in Krisenzeiten investiert bleiben und die Kurseinbrüche – wenn möglich – in einem angemessenen Rahmen auch für Zukäufe nutzen.

Gerade junge Sparer, die sich erst noch am Anfang ihres Sparprozesses befinden, können vom Krisenjahr 2022 dennoch profitieren!

Das Renditereihenfolgerisiko im Entsparprozess

Anleger die schon länger investiert sind und demnächst sogar über das Entsparen des angewachsenen Vermögens nachdenken, betrifft das Renditereihenfolge Risiko genau umgekehrt.

Treten Krisen und damit negative Renditejahre gleich zu Beginn des Entsparprozesses auf und ist der Anleger darauf angewiesen, mit der geplanten Entsparung seines Depots unverändert fortzufahren, könnte das Vermögen letztendlich deutlich schneller verbraucht sein, als ursprünglich kalkuliert.

Anders als noch jüngere Sparer können Anleger die an der Schwelle zum Renteneintritt stehen, eine Krise nicht mehr so einfach auszusitzen und „einfach noch ein paar Jahre dranhängen“.

Wie können Entsparer mit diesem Risiko umgehen?

  • Variable Entnahmeraten. In guten Marktphasen mehr entnehmen, in schlechten Phasen weniger – oder die Entnahmen sogar ganz pausieren.
  • Puffer einplanen für schlechte Marktlagen. Gerade beim Thema variable Entnahmeraten könnten die Raten in Krisenzeiten z.B. vom Tagesgeld bezogen werden. Das Depot bleibt solange unangetastet.
  • Weicher Rentenübergang. Vielleicht kann noch eine Zeitlang nach dem Renteneintritt auf zusätzliche Einkünfte zurückgegriffen und die Entnahmerate so reduziert werden.
  • Depot von Anfang an breit diversifizieren um es krisenfester zu machen.
  • Rechtzeitig mit dem Berater sprechen und Depot ggf. anpassen.

 

Unter anderem der letzte Punkt ist von entscheidender Wichtigkeit. Diese Erfahrung machen wir in der Praxis jede Woche. Viele Anleger wissen nicht, dass der Entsparprozess eines Depots genau so viel Aufmerksamkeit bedarf, wie der Ansparprozess.

Daher: Sprechen Sie mit Ihrem Berater oder Ihrer Beraterin über Ihre Planungen und Zielsetzungen!
Wann soll mit dem Entsparen des Depots begonnen werden? Wie hoch soll die Entnahmerate im besten Fall sein, wie hoch im schlechtesten? Wie lange kann ich von meinem Ersparten leben. Welche Rolle spielt das Markumfeld auf die weitere Entwicklung meines Vermögens in der Zeit des Entsparprozesses?

Sie sehen, die Thematik des Depotentsparens ist ebenso wichtig wie die der Portfoliogestaltung zu Beginn des Vermögensansparprozesses.

Lassen Sie sich nicht böse überraschen und melden Sie sich gerne für ein Gespräch bei uns. Dafür sind wir da!

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