Die Herausforderungen für die Bewohner Europas sind erheblich.
Menschen und Unternehmen werden von zwei Seiten in die Zange genommen, durch Inflation, also Kaufkraftverluste der Einkommen, und gleichzeitig durch rückläufige Sachwertpreise. Der von Flossbach von Storch ermittelte Vermögenspreisindex beinhaltet Immobilien, Betriebs-vermögen, langlebige Verbrauchs- sowie Sammelgüter. Das erste Mal seit der Finanzkrise vor 15 Jahren ist dieser Index auf Jahressicht negativ. Lange haben Immobilien für Vermögens-zuwächse gesorgt, damit ist nun Schluss. Der Immobilienmarkt steht vor einer Zeitenwende, die erst nach und nach sichtbar wird. Existenzrisiken für private Haushalte und Unternehmen als auch Wohlstandsverluste und Verarmungstendenzen werden langsam sichtbar.
Über die möglichen Gründe ist genügend an anderer Stelle schon gesagt worden. Jeden Tag wird erbittert debattiert, wie man aus diesem Schlamassel wieder einigermaßen unbeschadet herauskommt. Alles ist möglich, wir können die weitere Entwicklung nur erahnen.
Die Preisanstiege verringern die Kaufkraft der vorhandenen Einkommen sowohl in Deutschland als auch in der Eurozone.
Werfen wir zunächst den Blick auf den Wert der laufenden Einkommen. In Deutschland nahmen die Verbraucherpreise zuletzt per Berichtsmonat August um 7,9% zu. In der Eurozone sind es sogar 9,1%, der höchste Anstieg in der bis 1991 zurückgehenden Historie.
Bei den Erzeugerpreisen, die sich perspektivisch auf die Verbraucherpreise auswirken, ist das Bild prekär. Per August 2022 beträgt der Anstieg in Deutschland 46% im Jahresvergleich, während sich der Anstieg in der Eurozone per Juli 2022 auf 38% stellte.
Der Blick auf die wichtigsten Marktkennzahlen zeigt die Folgen.
Der DAX-Index liegt im Vergleich zum Jahresanfang um fast 24% zurück, der im MDAX vertretene deutsche Mittelstand hat noch deutlich stärker gelitten. Aber auch die US-Indizes sind in den letzten Monaten unter Druck gekommen. Besonders die lange stabil gebliebenen Tech-Werte haben nachgegeben. Mit Anleihen hat man sich nicht absichern können, steigende Renditen ließen auch hier die Kurse nochmals etwas sinken. Am Rande erwähnt: Der Bitcoin als Alternative liegt seit Jahresbeginn um die 50% im Minus.
Physisches Gold dagegen hat sich bedingt durch die Währungsverschiebungen als Beimischung bewährt. Obwohl in US-Dollar gerechnet das Edelmetall in 2022 verloren hat, ergibt sich in Euronotierung ein Plus von 6%.
Der schwache Euro ist ein Misstrauensvotum – aber auch eine Chance für den Export.
Der Außenwert einer Währung spiegelt die Akzeptanz und Vertrauenswürdigkeit einer Währung. Hier zeigt sich seit Jahresbeginn ein massiver Rückgang gegenüber dem US-Dollar in Höhe von gut 13%. Aber auch andere Währungen haben in 2022 tendenziell gegenüber dem Euro zugelegt. Es ist nur zu verständlich, dass die deutsche Handelsbilanz per Berichtsmonat Juli mit einem Defizit in Höhe von 40 Mrd. Euro ein historisch einmaliges Niveau erreichte. Dagegen waren die Defizite während der Eurokrise bei gut 10 Mrd. Euro förmlich „Peanuts“.
Gewinner und Verlierer – die Welt stellt sich neu auf.
Bezogen auf die globale Ökonomie verteilen sich die Karten neu. Europa inklusive der Ukraine und Russland sind bezüglich Wirtschaftsstruktur und Konjunktur die Verlierer. Die USA im westlichen Umfeld die Gewinner. Der US-Dollar hat deutlich an Boden gewonnen. Bei Fortsetzung der Krise oder einer Eskalation, die derzeit im Raum steht, wird dieser weiter Stärke zeigen.
Auf Sicht von einigen Jahren wird sich das Auseinanderdriften der Machtblöcke intensivieren. Auf der einen Seite die „westliche“ Welt, in der die USA den Ton angibt. Dem gegenüber steht die von China dominierte Ländergemeinschaft. Von der Auswahl kann man als Blaupause die Russland-Sanktionen nehmen, an denen sich gut 60 % der Weltwirtschaft nicht beteiligt haben. Dieses „Decoupling“ birgt eine Fülle von Maßnahmen, mit denen man sich gegenüber dem anderen Machtblock abgrenzt. Viele technologische Standards wie 5G sind dabei, Lieferrestriktionen bei sensiblen Gütern, aber auch der Handel mit Rohstoffen oder Nahrungsmitteln wird zunehmend schwieriger. Für europäische Unternehmen eine gewaltige Herausforderung, muss man sich doch mit beiden Seiten arrangieren.
China kann uns diesmal nicht retten – andere übernehmen die Rolle.
Und dies wahrscheinlich für länger. Der Einzelhandelsumsatz in China stagniert das erste Mal überhaupt, bislang war der Konsum neben dem Export die Basis für die Wachstumszahlen. Der Immobiliensektor als zentrales Vorsorgeinstrument der Chinesen schwächelt nach wie vor. Und die Führung stellt immer offener die Machtfrage vor die wirtschaftliche Entwicklung. Seit 2020 sinkt die Gesamtbevölkerung, der Anteil der über 65-jährigen wird bis 2050 von aktuell 13% auf über 30% steigen. China wird schneller alt als reich, so das Fazit.
Wer übernimmt? Indien als inzwischen sechstgrößte Volkswirtschaft und bevölkerungs-reichstes Land der Erde hat eine junge und gut ausgebildete Bewohnerschar. 2050 werden Länder wie Nigeria, Pakistan und Indonesien jeweils (!) so viele Einwohner haben wie heute die EU.
Trennen wir nationale Probleme von der internationalen Kapitalanlage.
Manchmal vergisst man, dass dieser Globus sehr, sehr groß ist und sich über verschiedenste Kontinente und Regionen erstreckt. Jede hat ihre eigenen Rahmenbedingungen und einen eigenen Wirtschaftszyklus. Die Schwierigkeiten des einen sind oftmals die Vorteile eines an-deren. Deutschland und auch unser Euroland sind nicht der Nabel der Welt. Aktuell stellt die Bundesrepublik um die 5% der weltweiten Börsenkapitalisierung. Und die Euro-Zone repräsentiert mit 342 Mio. Einwohnern unter 5 % der Weltbevölkerung. Wer klug agiert, nutzt diesen Globus für die Verteilung seiner Anlagen, um Risiken abzufedern.
Viel Negatives ist in den heutigen Kursen schon enthalten.
Grundsätzlich ergeben sich nach den teilweise massiven Rücksetzern an Aktienmärkten unter mittel- und langfristigen Gesichtspunkten Chancen. Was Sie heute an negativen Nachrichten lesen oder hören, hat seine Schuldigkeit schon getan und zu entsprechenden Verkäufen geführt. Jetzt gilt es den Blick vom Heute auf das Morgen und Übermorgen zu lenken. Die Grafik gibt hier einen Anhaltspunkt. So zeigen die Daten, dass z.B. nach einem Rückgang von 30% im US-Markt im Durchschnitt die Rendite in den darauffolgenden fünf Jahren bei 50% gelegen hat.
Schlussendlich müssen rund 8,5 Milliarden Menschen grundversorgt werden. Mehr noch sind Lieferkettenprobleme wegen globaler Unterinvestition in Infrastruktur seit 2017 ausgeprägt. Das gibt den produktions- und lieferfähigen Unternehmen die Möglichkeit, hinsichtlich der Preissetzungsmacht von der Krise zu profitieren.
Ähnlich wie bei vorigen Krisen braucht es einen langen Atem und Durchhaltevermögen.
Keine Frage, wir befinden uns in turbulenten Zeiten. Politische Entscheidungen wirbeln Private wie Unternehmen durcheinander. Die in den Risiken erkennbaren Chancen gilt es zu nutzen, um Wohlstandsverluste zu vermeiden, entgegenzuwirken oder umzukehren.
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