12. Juni 2025

Teil 3: Reichen 500.000 Euro für einen erfüllten Ruhestand?

Wenn Sie Teil 1 und 2 unserer Trilogie zum Thema Kapitalverzehr im Ruhestand verfolgt haben, dann wissen Sie für den dritten Teil mit Gewissheit eines: Es gibt keine Gewissheit!

Und genau hierin liegt die Crux für eine funktionierende Entnahmestrategie. Statt die Sicherheit in Form einer sofort beginnenden Rente oder eines Festgeldkontos zu suchen, ist es sinnvoller, die sich gegenseitig verstärkenden Unsicherheiten der Zukunft zu akzeptieren, ihnen aktiv zu begegnen und eine möglichst praktikable und rationale Strategie zu entwickeln, sodass Ihr Geld im Alter in möglichst vielen Szenarien so lange wie nötig zur Verfügung steht. 

Voilà, das Rezept zum Kapitalverzehr über ein Wertpapierdepot. Bei weitem nicht das weltbeste und wahrscheinlich zu vorsichtig. Aber über viele Jahre pragmatisch umsetzbar und mental auch in Zeiten großer Unsicherheit zu beherrschen.

1. Kapitalbedarf und Lebenserwartung optimistisch einschätzen.

Das Langlebigkeitsrisiko ist ein paradoxes Wort. „Langlebigkeit“ klingt positiv, während „Risiko“ negativ ausgelegt wird – die Kombination wirkt somit humorvoll absurd. Doch dieser Unsicherheit gilt es zu begegnen. Wie?

Ermitteln Sie, wie viel Entnahme Sie aus dem Depot für ein gutes Leben im Ruhestand nach Abzug aller sonstigen Einnahmen (Renten, Pensionen etc.) benötigen. Inflationieren Sie diesen Wert mit mindestens 2 % in die Zukunft, während Sie Ihre Einnahmen nur mit 1 % steigern.

Rechnen Sie diese angestrebte Entnahme mindestens bis zu Ihrer statistischen Lebenserwartung (hier geht es zum Rechner). Wie das mit Durchschnitten so ist, liegen viele Werte auch darüber. Schlagen Sie deshalb unbedingt noch eine Sicherheitsmarge von mindestens fünf Jahren auf Ihre statistische Lebenserwartung auf!

2. Rechnen Sie mit einer vorsichtigen Rendite.

Wenn das Depot eine zentrale Stütze der eigenen Altersvorsorge ist, sollte dieses in der Lage sein, große Kapitalmarktkrisen zu überstehen und sich davon zu erholen. Das bedeutet, dass die Allokation darauf fokussiert sein sollte, Risiken zu vermeiden, statt großen Renditen hinterher zu eilen. Klumpenrisiken in einzelnen Branchen, Regionen oder Anlageklassen sind unbedingt zu vermeiden – Diversifikation ist der Schlüssel zum Erfolg.

Wir schlagen deshalb vor, für Ihre Altersvorsorge mit einer sehr vorsichtigen Renditeerwartung zu rechnen. Für ein 60 %-Aktien/40 %-Renten-Portfolio sollte die Rendite nach Kosten nicht über 4 % p.a. angenommen werden. Bei der Standardabweichung, also der Schwankung des Portfolios um diesen Wert, sollten Sie mehr als 10% zugrunde legen. Diese pessimistische Einschätzung ist das zweite Sicherheitsnetz.

3. Stellen Sie Geld für die nächsten 3 Jahre zurück.

Wir empfehlen zudem, das Kapital, welches Sie in den nächsten drei Jahren sicher verbrauchen werden, zurückzustellen. Am besten Sie legen dieses in ein separates Depot in Geldmarkt- und kurzfristige Staatsanleihen an, bei Beträgen unter 100.000 € kann auch ein Tages- oder Festgeldkonto dafür herhalten.

Nach jedem positiven Börsenjahr füllen Sie dieses Depot aus Ihrem Hauptportfolio auf. Nach einem schlechten Börsenjahr warten Sie ab, damit sich das Hauptportfolio erholen kann. So können Sie in einer längeren Crash-Phase mindestens drei Jahre durchhalten – das sollte reichen, dass sich ein 60/40-Portfolio weitestgehend erholen kann.

Diese Strategie kostet Sie im Mittel zwar Rendite, denn das gemischte Portfolio wird sich besser entwickeln als die Liquiditätsreserve. Sie minimieren aber das in Teil zwei genannte Rendite-Reihenfolge-Risiko, sollte Sie in den ersten Jahren der Entnahme ein Crash heimsuchen. Das verlängert die Überlebensdauer Ihres Portfolios und schont Ihre Nerven in der Krise. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Anleger in der Entnahmephase in Börsencrashs sensibler reagieren als ihre Pendants im Vermögensaufbau.

4. Kalkulieren Sie mit Unsicherheit.

Die herkömmliche Berechnung einer sicheren Portfolio-Entnahmerate erfolgt üblicherweise durch einfache lineare Kalkulationen, die auf verschiedenen Portalen mithilfe von Tabellenkalkulationsprogrammen durchgeführt werden können. Diese Methoden bieten lediglich vorbestimmte Entwicklungen und berücksichtigen nicht die Unsicherheit zukünftiger Renditen. Sie gehen unrealistischerweise davon aus, dass künftige Renditen am Kapitalmarkt linear verlaufen. Wir wissen, dass Anlagen je nach Anlagestrategie allerdings stark um ihren Mittelwert schwanken und nicht Jahr für Jahr eine stabile Rendite bringen. Dieser Mangel kann teilweise durch die Verwendung von optimistischen und pessimistischen Annahmen ausgeglichen werden, jedoch bleibt die Grundproblematik dieser linearen Methoden bestehen.

Will man die Frage nach der sicheren Entnahmerate für einen langen Zeitraum aussagekräftiger als mit Punktschätzungen beantworten, muss man zu einer anspruchsvolleren Prognosetechnik übergehen, der Monte-Carlo-Simulation. Diese naturwissenschaftliche Vorhersagetechnik modelliert Unsicherheit im Sinne schwankender Portfoliorenditen. Dazu generiert ein Computer hunderte oder tausende möglicher Szenarien basierend auf Annahmen zur erwarteten Rendite, Volatilität des Portfolios, der Restlebenserwartung des Anlegers sowie regelmäßiger Portfolio-Zu- und -Abflüsse.

Das Verfahren adressiert damit insbesondere das Rendite-Reihenfolgerisiko, das besagt, dass die spezifische Abfolge von Renditen über einen Zeitraum hinweg einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtrendite und den Endwert eines Portfolios hat, insbesondere wenn währenddessen Mittel entnommen oder zugeführt werden. Erfährt man beispielsweise gleich zu Beginn seiner Entnahmephase eine große Börsenkrise, kann dies die Überlebensdauer des Portfolios deutlich reduzieren. Dazu…

Zwei Beispiele

Wir erleben, dass sich Menschen aus unserem Kundenkreis vor allem zu zwei Zeitpunkten im Leben intensiv Gedanken zu Ihrer Altersvorsorge machen.

Erstens, kurz vor dem Ruhestand. Die Kinder sind aus dem vielleicht schon abbezahlten Haus. Ein gesunder Grundstock ist in einem Wertpapierdepot angelegt. Zum Depot gibt es zudem Rentenansprüche und eine betriebliche Altersvorsorge. Die Fragen: „Wann kann ich aufhören zu arbeiten?“ „Wie viel Kapital kann ich vor diesem Hintergrund nachhaltig entnehmen?“

Zweitens, um den 40. Geburtstag. Die Familienplanung ist meist auf den Weg gebracht, der berufliche Werdegang lässt sich gut abschätzen, große Anschaffungen wie die eigene Immobilie sind getätigt. Die gewisse Planbarkeit von Einnahmen und Ausgaben setzt ein. Die Fragen: „Wie viel Geld brauche ich?“ Wie spare ich am besten?“

Beispiel 1: 500.000 € für die heute 60-Jährige  

Nehmen wir hierfür an, eine 60 Jahre alte, weibliche Person – nennen wir sie Marion – plant ihren Ruhestand ab dem 68. Lebensjahr. Ihr heutiges Wertpapiervermögen beträgt 500.000 €. Das Depot wird derzeit nicht weiter bespart. Im Ruhestand möchte Marion 2.000 € monatlich vor Steuern aus dem Depot entnehmen. Statistisch wird sie 88 Jahre alt – mit 5 Jahren Sicherheitsmarge obendrauf also planen wir bis zu einem Alter von 93 Jahren. Mit 2 % Inflation eingerechnet betragen die monatlichen Entnahmen in diesem Alter immerhin schon 3.482 €.

Dem Depot unterstellen wir eine für ein gemischtes Portfolio (60 % Aktien, 40 % Renten) konservative Rendite von 4 % p. a. nach Kosten und eine Volatilität (Schwankung) von 10 % p.a. Gemäß dieser Normalverteilung simulieren wir 1.000 zufällige Rendite-Szenarien mit folgendem Ergebnis.

Beispielhafte Entwicklung des Depotwerts mittels Monte-Carlo-Simulation

Allgemein formuliert bietet die Simulation einen Plausibilitätscheck für die fundamentale ökonomische Frage, die sich jeder Haushalt stellen sollte: „Ist mein Langfristplan einigermaßen realistisch und durchführbar? Der tatsächliche Pfad hier wird sich also zu 90 % Wahrscheinlichkeit zwischen der roten (5 % Schlechtesten) und grünen Linie (5 % Besten) nahe des Durchschnitts (gelbe Linie) abspielen. Die blaue Linie simuliert einen solch zufällig aus der obigen Normal-Rendite-Verteilung abgeleiteten Pfad.

 Folgende Aussagen lassen sich für Marion ableiten.

  • Mit einer Festgeldanlage mit 1,5 % jährlichen Zins (graue Linie) geht mit 85 Jahren sicher das Geld aus.
  • Im erwartbaren Mittel – und das ist der wahrscheinlichste Fall – hat sie mit 93 Jahren noch ca. 445.000 € im Depot. Trotz Entnahmen bleibt also ihr Kapital erhalten und kann sogar vererbt werden.
  • In den 5% besten Fällen hat sie mit 90 Jahren mehr als 1,8 Mio. €.
  • In den 5% schlechtesten Fällen ist das Geld mit 83 Jahren verbraucht.


Die Grafik gibt uns Gewissheit, dass – auch wenn die Extreme weit auseinander liegen – dass Marions Geld bei der unterstellten Entnahme bis weit über die Lebenserwartung reichen wird. Damit Sie nicht mit den 5%-schlechten Szenarien rechnen müssen, haben wir Sicherheitsnetz Nummer drei eingebaut. So kann eine besonders schlechte Entwicklung zu Beginn der Entnahme abgefedert werden.

Beispiel 2: 500.000 € für die heute 40-Jährige 

Hier lässt sich die Frage nicht so leicht beantworten. Denn mit Sicherheitsmarge beträgt die Lebenserwartung satte 95 Jahre. Wir sprechen also über einen Planungshorizont von über 50 (!) Jahren. Der Versuch einer Simulation würde schnell Werte im zweistelligen Millionenbereich ausgeben. Unrealistisch.

Dennoch ein kleiner Gedankenanstoß. Wenn Sie heute planen in ca. 25 Jahren in Rente zu gehen und 2.000 € monatlich nach heutigem Standard zu entnehmen, dann benötigen Sie unter Berücksichtigung der Inflation im Jahr 2050 bereits ca. 3.300 € monatlich.

500.000 € sind bei dieser Entnahme – selbst bei einer Verzinsung von 4 % pro Jahr – nach nicht einmal 15 Jahren aufgebraucht. Pleite mit 80 Jahren. Keine schöne Aussicht, aber noch kein Grund die Altersarmut zu fürchten. Wenn Sie heute schon um die 150.000 € angespart haben und weiter monatlich 500 € in ein Aktienportfolio (Renditeerwartung 6 %) einzahlen, gehen Sie mit fast einer Million Euro in Rente. Damit reicht Ihnen das Geld ziemlich genau bis sie 100 Jahre alt sind. Die Zeit kann also für Sie arbeiten.

Fazit:

Ein gut strukturiertes Wertpapierdepot von 500.000 € wird Ihnen sauber geplante Entnahmen von ca. 2.000 € monatlich vor Steuern über die nächsten 30 Jahre ermöglichen. Möchten Sie das bestehende Restrisiko von ca. 25 %, dass das Geld vorher ausgeht, reduzieren, entnehmen Sie nur 1.500 €. Das senkt die Pleitewahrscheinlichkeit auf 8 %. In unseren Augen ein akzeptables Restrisiko, das der Chance gegenübersteht, dass ihr Depot in diesem Zeitraum auch auf über 2 Mio. € anwachsen kann!

Wichtige Hinweise 

Weder vergangene Wertentwicklungen noch Prognosen sind Indikator für zukünftige Wertentwicklungen. Die Inhalte sind nach bestem Wissen und mit großer Sorgfalt erstellt, gleichwohl können wir die Korrektheit der Informationen nicht garantieren. Wir übernehmen keine Haftung für etwaige Schäden, die aus der Verwendung der in dieser Veröffentlichung enthaltenen Informationen resultieren. Die hier enthaltenen Angaben basieren auf sorgfältig ausgewählten Quellen, die als zuverlässig gelten. Wir geben jedoch keine Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Angaben. Hierin zum Ausdruck gebrachte Meinungen geben unsere derzeitige Ansicht wieder und können ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Anlagemöglichkeiten, die hier dargestellt werden, sind je nach Anlageziel und Finanzlage nicht für jeden Anleger geeignet. Die hier bereitgestellten Angaben dienen nur allgemeinen Informationszwecken. Der Zweck dieses Dokuments ist die Unterstützung der Diskussion mit Der Finanz Berater über die Anlagemöglichkeiten, die unseren Kunden zur Verfügung stehen. Sie stellen weder eine Anlageberatung noch ein Angebot, eine Empfehlung oder eine Aufforderung zum Treffen von Anlageentscheidungen nach dem Wertpapierhandelsgesetz dar. Investitionen in Wertpapiere, Investmentfonds, Immobilien und Rohstoffe bergen hohe Verlustrisiken, bis hin zum Totalverlust. Alle Rechte bei Der Finanz Berater – Artur Wunderle Vermögensbetreuungs GmbH, Hauptstraße 8b, 82319 Starnberg. 

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